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Wölfe naturnah & unheimelig

Kühe können diesen Sommer für Wanderer gefährlich sein / Tagesanzeiger-Artikel. Eine Klage.

 

Ja, die Mutterkuh. So lange gibt es sie gar nicht. Der Mutterkuhhirte erinnert sich an den Alpmeister in Rhäzüns der ihm seinen Umgang mit dem Wolf so schildert: er macht eine Zielbewegung und sagt dazu bumm. Man konnte so im Nachhinein nicht sagen, er hätte gesagt, das er Wölfe abschiesse. Kurz zuvor -es war im Januar 2014 - wurde in der Gegend ein Wolf gewildert.

 

Ich war da in dieser selbstverständlich gemütlichen Stube kurz davor einzuschlagen, der Lohn war korrekt, sogar ein 30er Jeep wurde zur Verfügung gestellt, die Hütte schien in Ordnung. Bis wir zur Anzahl Abkalberungen kamen. Es seien 40 auf 60 Mutterkühe. Ich wurde etwas nervös und verbat mir eine kurze Bedenkzeit von 3 Tagen.

 

Diese Alp ist, vor allem der untere Teil, ziemlich dorfnah. In diesen Tal-Dörfern leben sehr viele Menschen. Menschen die in ihrer Freizeit auf dieser Alp unterwegs sein würden. Auf Bikes, mit Hunden, Familien zum Picknicken, Wanderer aller Art. Ich sah all die Mutterkühe mit ein paar Tage alten Kalber und mich. Ich sah vor allem mich vor einer Mutterkuh stehen die mich ansah und fragte: was willst du hier, kennen wir uns. Wer bist du? Willst du meine Tochter verspeisen. Nur wenn es Natura Beef ist, antworte ich. Es ist Natura Beef, sagt die Kuh.

 

Die Bewerbung fand zu einer Zeit statt, in der es gerade mal ein Rudel gab. Das Calanda-Rudel. Heute haben wir vermutete 10 Rudel. In der Wahrnehmung einiger Bauern haben sie sich nicht verdrei -sondern verzehnfacht. So ist wohl der Brief der Lugnezer/Obersaxer Bauern an Frau Sommaruga zu verstehen. Die Frauen dieser Bergbauern scheinen hingegen nichts gegen die Wölfe zu haben. Sie haben nicht unterschrieben. Aber eben, ein Männerbiotop, bedroht von Grossraubtieren.

 

Der Tagesanzeiger -Artikel ist voll von bekannter Bergbauernromatik. Alles ist einfach, bescheiden und wohltuend durchtränkt mit einer einzigen grossen Wahrheit. Die der Naturnahen Natur. Der Tierliebe, Zuneigung. Der Bergbauer mit seiner Familie. 3 Kinder. Keine Altledigen, keine Geschiedenen, keine Kiffer. Und doch lassen sie ihre Tiere töten. In schnuckeligen, lärchenholzverkleideten Schlachthüsli.

 

Und auf die Frage an den Alpmeister in Rhäzüns, warum sie, trotz des erhöhten Risikos für Hirten und Wanderer, soviele Kühe auf der Alp abkalbern lassen, sagt er, es sei wegen dem Markt. Sie halten sich für clever, spielen mit auf dem „freien Markt“. Ja vielleicht holen sie damit 1'000 bis 2‘000 Franken pro Jahr mehr heraus. Den  2000 Franken stehen 100‘000 Franken Bundesbeiträge gegenüber. Dafür nehmen sie tote Hirten und Wanderer in Kauf.

 

PS. Abkalberungen auf der Alp sind nicht wirtschaftlich. Im Sommer steigen die Preise nur leicht an. Die Nachfrage ist nicht höher als in den übrigen Jahreszeiten.Weit am höchsten sind die Preise im Spätherbst bis vor den  Festtagen. Im Frühjahr geborene sind dann sogenannte schlachtreife Absetzer.  Abkalbung während der Alpzeit heisst Abkalbungen während den jährlichen Arbeitsspitzen. Die Überwachung der Abkalbungen auf der Alp ist schwierig. Ausserhalb der Alpzeit fallen die Abkalbungen in arbeitsschwache Zeiten. Enthornen, Markieren und Kastration sind einfacher zu bewerkstelligen.

 
Baukartell-PUK Graubünden
Sommersitz der Redaktion / Lugirien
Baukartell-PUK Graubünden
Redacteur en Chef & de Cuisine: Kurt von Arb

Beste Popliteratur, mit klugen Miniaturen zu Natur, Gesellschaft, Literatur, vor allem immer wieder über das Altern. Kurtz hat so ziemlich alle Berufe ausgeübt, die man sich vorstellen kann. War Bergkehrichtmann, vierfacher Genossenschaftsgründer, Metzger, Bauer, Hotelbetreiber, Koch, um nur einige Beispiele zu nennen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Seit Jahren verbringt er mit seinem Hund Tito, einem Widergänger des bekannten Tito, den Sommer als Hirt auf Mutterkuhalmen. Und so dreht sich denn auch einiges um das Auskommen mit Tito. Nach einem so klugen Hirten wird man suchen müssen. Kurtz zählt für mich zu jenen immer selteneren Menschen, die nicht nur über eine Ausbildung, sondern über Bildung verfügen. An Popliteratur denke ich deshalb, weil banale Sprachabfälle, Werbetexte, Produktaufschriften etc. seine Texte durchziehen. Autoren wie Vladimir Kurtz fallen durch alle Raster. Zu alt. Zu eigenwillig. Zu viel Selbstironie, die manchmal ganz schön bitter sein kann.                                                     (Bernhard Kathan, Hidden Museum)