Dass man von der Familie und dem genetischen Stempel geprägt sei, mehr als von gesellschaftlichen Erfahrungen, Schule etc. Das ist die neueste wissenschaftliche Erkenntnis zur Erklärung menschlichen Verhaltens.
Das sollte man bei einem Vorstellungsgespräch in des Alpmeisters Küche fortan berücksichtigen. Er wird dich taxieren, anders als es, falls du von der Uni kommst, ein Professor tut, anders, wenn du aus der Arbeitswelt kommst, es der Chef tut.
Die Bauern sagen untereinander: «Wie hast du es mit deinem Knecht, wie hast du es mit deiner Hirtin?» Es ist eine Art Inbesitznahme, die über den, falls vorhandenen, arbeitsrechtlichen Vertrag hinausgeht.
Hat der Hirte, die Hirtin warm in der Hütte, hat er Licht, hat er Wasser, wo scheisst er. Sollte man ihm eine Douche einbauen, eine kleine Solaranlage. Das ist eher dein Problem.
Die Idee & Theorie des genetischen Stempels ist dem Hirten nicht fremd. Auf einen starken Ausdruck davon trifft er bei seinem Hirtenhund. Bei dessen Erziehung & Ausbildung. Beim jungen Hund taucht er in erstaunlich klarer Weise auf, auch bei der Mutterkuh auf ihrem Weg zurück in vergangene Zeiten. Warum soll es beim Menschen anders sein, Rudel, Jagd & Trieb, gerade in Gebieten, an denen einst die Aufklärung unbesehen vorbeiging.
Der Jungbauer, wie man ihn heute antrifft und der dein Alpmeister sein könnte, ist geprägt von der Familie. Man sieht ihn als Kind im Sandkasten und um den Hof herum mit ziemlich grossen landwirtschaftlichen Maschinen, Traktor, Kran etc. aus Plastik unterwegs, mit spätestens 14 Jahren auf dem richtigen Traktor. Danach, wie er von der Mutter zu seiner Frau, die er gefunden und geheiratet hat, übergeht, die für ihn wäscht und kocht, das Bett macht und ihn liebt.
Dazwischen nötigt man ihn zu einem Praktikumsjahr in der Fremde. Zur Lehre auf dem Plantahof über die Wirtschaftlichkeit der Kuh und des Traktors. Den letzten Schliff erhält er sachgerecht in der Rekrutenschule. Zuhause wartet der fertige Hof auf ihn, den sein Vater, seine Mutter, sein Grossvater und seine Grossmutter unter Schweiss erhalten und vergrössert haben.
Das Dorf ist eine Art erweiterte Familie und gehört zu seiner Prägung. Man ist zusammen in die Schule, an den Skilift im Winter, an die landwirtschaftliche Schule, bei der Jungmannschaft. Man kennt sich von klein auf, das Verhalten des anderen ist abschätzbar, bekannt.
Der Hirte aus der Stadt ist für ihn zuerst einmal ein Fremder. Lebenslauf wird nicht verlangt. Erfahrung schon. Der Lohn wird verhandelt. Im Unterschied zur Arbeitswelt, wo der Lohn ungefähr vorgegeben ist und das erste Angebot vom Arbeitgeber ausgesprochen wird, ist es beim Alpmeister so, dass er den Hirten fragt, wie viel Lohn er erwarte. Und mal abwartet.
Heute haben Bergbauern zunehmend Futterautomaten im Stall und automatische Melkanlagen. Die Freilaufställe werden maschinell mit kleinen Maschinchen ausgemistet. Sie sind modern und verfolgen die Entwicklung, hauptsächlich in der AGROTECHNIK, die ihnen gleichzeitig auch eine Art Hobby ist. Eine Leidenschaft, wie man heute sagt.
Das sind eher kritische, distanzierte Zuschreibungen. Es gibt auch andere Sichtweisen, unbelastete, meine ich.
Die der «neuen Älpler/innen». Aus ihrer kulturellen Sicht, aus ihrem sozialen Zusammenhang heraus, ist eine kritische Position gegenüber den Bauern als normalen Arbeitgeber, nicht möglich. Das hätte den Freiheitsmythos, mit dem das Alpgehen behaftet ist, beschädigt. Dann ist da noch die Ehrfurcht vor dem enthaltsamen Naturmenschendasein der mit viel Mühen belasteten Bergbauernfamilien. In einer wilden Berglandschaft …
Meine Bekannte Margret, Älplerin und Bergbauerntochter, kann – aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Sozialisation – die Bauern innert kürzester Zeit einschätzen. Wie die Macht in diesem Zeitraum Alpsommer verteilt ist, welcher Bauer wie viele Tiere hat, wie gross einer ist an Land und wie klein der andere. Und wie sie zu einem angemessenen Alplohn kommt, den sie gemäss den bekannten, traditionellen Regeln und Rechten einfordert. Weiter bleibt sie nach der Alp präsent, im Dorf, im Tal. Steht Rede und Antwort, falls nötig.
Die Unterländer:innen dagegen sind weit weg. Man hofft allerdings, dass sie wiederkommen. Vielleicht hat man es ihnen nicht klar genug gesagt. Oft lässt man sie grusslos gehen.
Dann gibt es noch Unterschiede historischer, geografisch-föderaler Art zu beachten, von Gegend zu Gegend. Systematische polizeiliche Kontrollen aller Alpen, wie sie in Graubünden seit Jahrzehnten alljährlich stattfinden, wären in den Kantonen Uri oder Wallis, undenkbar. Die Urner mögen wertkonservativ, die Walliser gesetzlos sein, die Bündner hingegen sind einfach nur Bedepe, und da weiss man nicht, was drin ist. Die Urner*innen würden wohl keinen Polizeikommandanten in den Regierungsrat wählen. Die Bündner? Nein, auch nicht. Sie haben nur einen vorgeschlagen. Passend wäre ein Steinbock. Noch wagen sie es nicht.
Und jetzt noch das versprochene Inserat:
Zuverlässige Person, wenn möglich für mehrere Sommer erwünscht! Bitte kein Alki und Drogen. Es
melde sich bitte niemand für ein Sommerabenteuer! Ca. 80% Stelle.
Wasyl Kurtz, überarbeitet im August 2025