Muli Bobby. Furggalp, das unerwarteteTreten dieser Tiere nach hinten und dessen Folgen. Die verbreitete Furcht der Walliser Männer davor.
Maultiere können unvermittelt ausschlagen. Sie sind so denn auch verantwortlich für den Kinderreichtum im Wallis. Nein, es ist nicht der Katholizismus, sondern ihre Anwesenheit zu Hunderten und mehr, in der Landwirtschaft und im Transportwesen. Verbreitete Grobheit im Umgang mit ihnen führten gelegentlich zu unverhofftem Ausschlagen. Diese Huftritte waren nicht auf Augenhöhe, nein, sie trafen oft die Mitte des Mannes. Der Kinderreichtum diente dem demografischen Ausgleich.
Muli, Esel, Napoleon, Jesus. Jesus ist auf einem in Jerusalem eingeritten. Ich bin mehr der Mulityp. Napoleon hat auf einem den Grossen Sankt Bernhard überquert. Ein Pass wie dieser ist wie der Atlantik.
In einem Herbst, nach der Alp, brachte mir ein Kinderzirkusdirektor ungefragt zwei Esel vorbei. Nun gut, nicht dass mir nach einem nutzlosen Esel gelüstet hat, aber unser Stall war offen für heimatlose Tiere. Und Esel sollen, so sagt man, ohnehin nur das fressen, was andere Paarhufer zurücklassen. Wastefood. Über den Charakter dieser Tiere hatte man allerlei gehört. Das hat sich bestätigt. Sturheit ist eine sehr konservative Haltung. Um es kurz zu sagen, Esel sind absolut kleinbürgerlich. Kleinbürgerliche Fluchttiere. Wenn sie abhauten, dann immer talwärts und sie hielten irgendwann unten im Dorf. Einmal liefen sie auf das Gelände der Grossmetzgerei und machten sich zum Gespött der Dörfler. Es gibt Leute, die behaupten, Tiere würden einen solchen Ort, an dem Tiere getötet werden, aus dem der Geruch von Tierblut hinausströmt, erkennen und meiden.
Einer dieser Esel, der Ältere ging auf die einzige Ziegenalp im Tal und ging dort verschollen. Allein und ohne Artgenossin, verachtet von den Ziegen, hat er sich wohl in den Abgrund gestürzt. Nichts von ihm wurde jemals gefunden.
Der Zweite, kleinere, konnte ich verkaufen. Für ihn löste ich 400 Franken. Ich sollte ihn auf den Dorfplatz bringen, und zwar morgens um 5 Uhr. Das war sehr früh, doch war ich froh, das arme Tier loszuwerden. Ich stand da und wartete. Ein VW Käfer fuhr vor. Ein Mann stieg aus und meint, aha der Esel, ich darauf bitte Barzahlung, er drückt mir vier Hunderter Noten in die Hand und ich sage und jetzt, wie geht es weiter? Er öffnet den VW, die hinteren Sitz sind weg. Kein Problem, sagt er, ich mache das nicht zum ersten Mal. Wir quetschen den Esel hinein. Der Esel sagt, oh ein Käfer, wie lässig. Und schwups, fahren sie davon ins Morgengrauen.
Aus dem Fenster schaute der Posthalter Jäggli selig zu, er ist mein Zeuge. Vom Himmel herab könnte er es heute bestätigen. Ein traumhafter Vorgang, wie in einem argentinischen Film.
Was mit ihm geschehen würde, wusste ich nicht. Ich kannte Orte, an denen mehrere Esel zusammen standen und nichts taten ausser Esel sein. Eseleien. Der Esel ist in der Duden-Enzyklopädie gerade vor dem Escortservice aufgeführt. Tatsächlich gibt es in diesem Zusammenhang einen kulturhistorischen Bezug zur Sodomie.
Auf der Insel Sifnos habe ich arbeitende Esel gesehen. So in der Art Pick-up-Esel. Oder Esel to go. Sie haben Zementsäcke und anderes schweres Material transportiert. Unaufhaltsam gingen sie die Treppen hinauf und hinab, geführt an einem losen Strick. Von aufrechten Griechen.
Im Migros gibt es kleine Stände- mit vermutlich Arbeitslosen -die Muster anbieten. Beim Durchgang zum Hunde- und Katzenfutter wird von der Firma Matzinger ein Muster Hundefutter mit Rind offeriert. Ich bin erfreut. Ich gehe direkt auf den jungen Mann zu, der genau gleich aussieht wie der Verkäufer im Sportgeschäft, in dem mich nach Bergschuhen umgeschaut hatte.. Ich sage: Aha Hundefutter. Der Typ, also jetzt wird er zum Typen, denn er sagt: Haben sie einen Hund? Wie erbringe ich nun den Nachweis. Zum Glück habe ich gerade Ochsenziemer getrocknet für Tito in den Einkaufkorb gelegt, die ich nun vorweise. Das wird akzeptiert. Ich könnte ja solche für mich kaufen, statt getrocknete Mango, vor allem wenn er davon ausgeht - dies mit der Frage verbunden ob ich einen Hund habe - dass ich das Hundefutter selber essen würde. Er ist dann nett und gibt mir gleich zwei Päckli. Ich muss sagen, es war der erste Moment von Zufriedenheit in der Stadt und es blieb auch der einzige. Nun es ist mir schon klar, dass ich so aussehe wie einer, der sich von Hundefutter ernährt.
PS, Die Firma Matzinger gehört Nestlé. Nestlé kümmert sich um unsere Hunde.
Im Bild zu sehen Andrzej Corax (eigentlich Kurt von Arb), der 24 Alpsommer, zusammengerechnet 6 Jahre, auf diversen Alpen – vorwiegend im Kanton Graubünden, vorzugsweise im Prättigau, aber auch auf sogenannten Gletscheralpen in den Kantonen Uri und Wallis, allerlei Vieh im Auftrag der Bauern gehütet hat. So auch Mutterkühe.
Mit dabei die Hirtenhunde. Abkömmlinge des Wolfes. Am Anfang Tasso, dann Mato, beides Bergamasker und zuletzt Tito, eine Mischung aus Border Collie und Australian Kelpie. Zu beobachten: Erbkoordinaten, Instinktverhalten, genetische Stempel – und Speicher.
Andrzej berichtet über nervöse Alpmeister und zutrauliche Mutterkühe, über verlassene Schafe und nette Maultiere. Über Bauerntöchter und ihre Mütter, Schlepprechen und Heidelbeeren.