campo di calcio / valle onsernone / Fussball in den Bergkantonen

Zwischen der Talstrasse die in das Dorf Crana führt und dem Fluss Isorno findet man auf der 1:25‘000 Karte in einer scheinbar unwegsamen Gegend ein gestricheltes Rechteck, etwa in der Grösse eines Fussballfeldes. Die Grösse eines Fussballfeldes ist heute ein beliebter Massstab in den Medien, die damit dem Publikum unvorstellbar grosse Flächen verständlicher machen wollen. Dieses Rechteck ist das Campo di Calcio, der Fussballplatz, das Stadion des Onsernonetales, der Verein heisst AS Onsernone.

 

Die Sportanlage wurde einst in den steilen, bewaldeten Abhang unterhalb des Dorfes angelegt. Mit Stützmauern und telefonstangenartigen Masten rundum, mit einem Netz bespannt, das die Bälle, früher ein kostbares Gut, auffangen sollte.

 

In einer Steinhütte finden sich 2 Aebimotormäher, ein Generator neueren Models, einige dutzend Meter Gartenschlauch.

 

Eine mittels Metallgerüsten und Brettern ideal in den Hang gebaute, offene Tribüne, eine grosszügige Umkleidebaracke auf Stelzen, ein Ausschank und eine einzelne Werbetafel- Macelleria Chiesa-  hinter dem Tor, vollenden den Fussballtraum. Ein alter, wuchtiger Kastanienbaum hütet die Zuschauer auf den Tribüne, spendet ihnen seinen Schatten.

 

Es ist Mitte Februar, ein milder Winter nähert sich seinem Ende. Die Postautofahrt ins Onsernone ist nicht nur für Holländer oder die Besucher  von Max Frisch selig abenteuerlich. Von Crana aus gehe ich die Talstrasse abwärts, nach 10 Minuten treffe ich auf die liebevoll gemalte Hinweistafel zum Campo di Calcio. Nun geht es hinein in den Wald und nach kurzer Zeit erneut ein Hinweis, im Sommer müssen die Wege hier im Farnkraut verschwinden, auswärtige Fussballmannschaften müssen sich verirrt haben. Dann plötzlich unterhalb des Weges, der Winterwald ist licht und durchsichtig, das „Stadion“ . Auf dem Spielfeld liegen stachelige Kastanienhüllen.

 

Alles ist im Zerfall begriffen, in der Baracke steckt, fest eingerostet, der Schlüssel. Es ist still, zwei Vögle singen. Ich entspanne mich, es ist nicht kalt und auch nicht sonnig, die Sonne versucht es und es ist einer der Tage an denen sie es nicht ganz schafft, sie muss ja auch nicht. Von weitem meine ich den Pfiff einer Schiedsrichterpfeife zu hören. Ein Penaltypfiff vielleicht. Schimpfwörter, Flüche. Dann die Glocken der verschiedenen Talkirchen die abwechslungsweise, unpünktlich die Mittagsstunde ankündigen.

 

                               ***************************************

 

Es gibt in den Bergkantonen eine Fussballkultur. Zwischen Tobel und Felsen. Das kostbare Wies-und Ackerland war dazu da die Leute zu ernähren. So hat man hier, wo ich sitze und einem imaginären Match zuschaue, der Wildnis ein Spielfeld abgetrotzt. Es ist das Wallis und das Tessin die flächendeckend mit Fussballclubs überzogen sind. Im Wallis hinauf bis Saas-Fee, oder unter den terrassierten Rebhängen des welschen Dorfes Erde. Im Tessin spielen zur Zeit über Hundert Vereine. Im Graubünden sind es die Oberländer, die katholischen, die hinauf bis auf 1‘400 Meter (Vella) Pässe in die Tiefe spielen, während die deutschsprachigen Walser, die ja auch bis vor kurzem nicht schwimmen konnten, keinen Fussball spielen, ausser in Vals. Derbys gegen den Club da ballapei Lumnezia. Ein Zusammenschluss der Vereine Vella und Degen im Jahre 2001. Eine 4. Liga und eine 5. Liga-Mannschaft, 2 Junioren D.

 

Im Tessin findet man kein Tal in dem es nicht einen Verein gibt. Es gibt die grossen Traditionsvereine Chiasso, Mendrisio,  Lugano, Locarno, Bellinzona.  Gefolgt von 1.Ligavereinen. Im Gegensatz zu den Stadien in den Städten, wo die Spielfelder durch Leichtathletik-Bahnen keine Nähe zum Spiel erlauben, ist unser Stadion im Tobel noch ein richtiges Fussballstadion. Man hört die Lungen der Spieler keuchen, ihr Spucken, ihre leisen Flüche, Schmerzlaute. Am 7.6. 2013 dürfte der ASO sein letztes Spiel ausgetragen haben, und zwar auf dem Spielfeld von  Gordevio, wohin er einst emerierte. Er gewann gegen den AC Brissago 2: 1. 4. Liga.

ROTE WINDE

In aller Kürze sollten Sie folgendes über uns wissen: Unser Unternehmen steht seit 2004 für herausragende Polemiken und Reportagen über das Leben in den Randgebieten. Was so zwischen Tobeln passiert. Wer steigt auf, wer ab. Unsere besondere Kompetenz liegt im Bereich der Gegeninformation und der Aufklärung. Klar?

Ihr Valdimir Kurtz (not registered in the criminal report).


Baukartell-PUK Graubünden
Sommersitz der Redaktion / Lugirien
Baukartell-PUK Graubünden
Redacteur en Chef & de Cuisine: Kurt von Arb

Beste Popliteratur, mit klugen Miniaturen zu Natur, Gesellschaft, Literatur, vor allem immer wieder über das Altern. Kurtz hat so ziemlich alle Berufe ausgeübt, die man sich vorstellen kann. War Bergkehrichtmann, vierfacher Genossenschaftsgründer, Metzger, Bauer, Hotelbetreiber, Koch, um nur einige Beispiele zu nennen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Seit Jahren verbringt er mit seinem Hund Tito, einem Widergänger des bekannten Tito, den Sommer als Hirt auf Mutterkuhalmen. Und so dreht sich denn auch einiges um das Auskommen mit Tito. Nach einem so klugen Hirten wird man suchen müssen. Kurtz zählt für mich zu jenen immer selteneren Menschen, die nicht nur über eine Ausbildung, sondern über Bildung verfügen. An Popliteratur denke ich deshalb, weil banale Sprachabfälle, Werbetexte, Produktaufschriften etc. seine Texte durchziehen. Autoren wie Vladimir Kurtz fallen durch alle Raster. Zu alt. Zu eigenwillig. Zu viel Selbstironie, die manchmal ganz schön bitter sein kann.                                                     (Bernhard Kathan, Hidden Museum)