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Tschiertschen als Flanierdorf

 

Ganz klar eine Frage der Wahrnehmung. Die persönliche Sicht. Oder dem Blick auf das Ganze. Gassen zwischen alten schmucken Walserhäusern. Gerade wie in den Unterengadiner Dörfern, nur dass alles aus Holz ist. So stand es geschrieben. Seit dem lockt das Dorf im Schatten. Neben den neuzeitlichen Architekturverbrechen entstehen im Alten neue schöne Sachen. Gentrifizierung?

 

 Es gab wöchentliche Sitzungen in Zürich. In denen die beiden Bauherren jeweils ein Update bekamen. Gerne erinnern sich Lombardi und Zink an die Aufenthalte in Tschiertschen, als sie mit Adam Caruso und Michael Schneider während des Umbaus jeweils an Ideen weiter feilten.

 

 Von Anfang an war grosses Vertrauen in Caruso St John da. Deren verspielter und kunstaffiner Zugang zur Architektur war Lombardi und Zink von Bauten wie der Tate Britain in London oder der Zürcher Europa-Allee bekannt. In Tsch. stand es, einsam und verlassen, das Café Engi.

 

 Das Geld aus Zürich und die Kreativität aus Londoner Architekturbüros, diese Leute sind mir genau so lieb wie der Hitsch oder der Hiti. Oder Pferdewetten-Milliardäre.

 

Das Alpina ist gut weil es das ganze Jahr offen hat und es so aussieht, dass es nicht gerade demnächst in Konkurs geht, dass man da hineingehen kann auch mit den Mistschuhen von der Alp. Es ist zwar irgendwie teuer, aber gerade noch zahlbar, und dass in seinem Windschatten –Schatten hat es übrigens viel in Tsch. - auch andere fortbestehen können, wie das das ländlich in leicht bayrisch/tirolerischer Old Art -Restaurant gehaltene Edelweiss Hermann Wiener, das eine gute Küche & Kafi Luz hat und Jagdart in den Stuben performiert.

 

 Wir alle waren doch schon mal in Tsch. Wie die Käufer des Café Engi bin auch ich da hie und da füher eingekehrt und es erinnert mich an die Zeit, als die Latte macchiato aufkam. So eine trank ich öfters mal in Gesellschaft des Dorfjunkies. Das Café Engi hatte sie als eines der ersten im ganzen Alpengebiet. Die Latte. Gastrokultur halt. Aber damals mit der Latte Macchiato, das war eigentlich der Anfang vom Ende, mit Tschiertschen als Kur- und Skiort. Die Holländer kamen mit ihren Käsebroten. Es war ein letzter Versuch, danach ging es bergab. Uuswärts.

 

 …….hier, mit Blick aufs Davoser Weissfluhjoch und das Aroser Weisshorn ...................................................................>

 

sehr witzig, nicht einfach Weissfluhjoch oder Weisshorn, irgendwo in der Nähe sind da noch Davos und Arosa, Sankt Moritz. Drei Kronleuchter aus rotem Murano-Glas hängen. Ja so ist es, Tschiertschen ist voll nun von Kronleuchtern, die alle an Decken hängen. Daneben hängt Kunst, zum Beispiel von Isabelle Krieg. Neben dem Taburettli steht ein Armsessel «Utrecht 637 XL im Wert von etwa 3490 Fränkli. Das beruhigt. Im Dorft riecht es nach Mist, nach Silo. Nach Soho. Tanja Frieden schaut manchmal schnell rein.

 

Aber nur wenn der Wind vom Aroser Weissfluhjoch kommt. Wann der kommt? Die Alten im Dorf wissen das.

 

Und es ist auch so, dass dieses Cafe Engi, das nun besser passend zum neuen Tschiertschen Aux Losanges heisst, preiswert zu mieten ist und darin Kulturveranstaltungen stattfinden. Nicht zu vergessen die Bibliothek. Peter Stamm wird dort lesen. Im Februar 2019. Eigentlich alles in allem eine positive Entwicklung. Herzlichen Dank hier an die Investoren. Ich wette mein Pferd, dass das gut kommt.

 

 Zum Abschluss werden wir doch etwas fies und zitieren einen der Besitzer, den Pneumologen Armin Zink: Ein Highlight ist der in zwei Grüntönen gestrichene Treppenaufgang aus Holz. «Das Grün erinnert mich an die frisch gemähte Wiese inWimbledon“.

 

 Es klappert. Teo Ah King galoppiert auf seiner rosaroten Lipizzanerstute in die Fraumatten. In der Ferne hört man die Aroser Bären brüllen. Die Calanda - Wölfe stimmen ein mit ihrem Lied vom Tod. Schleifendes Geräusch. Der Alpenhirt wetzt die Messer.

 

 

 

(Zitate aus Bellevue NZZ)

 

 PS. Der Alpgenossenschaft Tschiertschen-Praden ist das Architekturbüro Caruso St John für innenarchitektonische Gestaltung und Renovation der Alpgebäude, vor allem auf der Prader Alp, wärmstens zu empfehlen.

 

 

 

 

 

Baukartell-PUK Graubünden
Sommersitz der Redaktion / Lugirien
Baukartell-PUK Graubünden
Redacteur en Chef & de Cuisine: Kurt von Arb

Beste Popliteratur, mit klugen Miniaturen zu Natur, Gesellschaft, Literatur, vor allem immer wieder über das Altern. Kurtz hat so ziemlich alle Berufe ausgeübt, die man sich vorstellen kann. War Bergkehrichtmann, vierfacher Genossenschaftsgründer, Metzger, Bauer, Hotelbetreiber, Koch, um nur einige Beispiele zu nennen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Seit Jahren verbringt er mit seinem Hund Tito, einem Widergänger des bekannten Tito, den Sommer als Hirt auf Mutterkuhalmen. Und so dreht sich denn auch einiges um das Auskommen mit Tito. Nach einem so klugen Hirten wird man suchen müssen. Kurtz zählt für mich zu jenen immer selteneren Menschen, die nicht nur über eine Ausbildung, sondern über Bildung verfügen. An Popliteratur denke ich deshalb, weil banale Sprachabfälle, Werbetexte, Produktaufschriften etc. seine Texte durchziehen. Autoren wie Vladimir Kurtz fallen durch alle Raster. Zu alt. Zu eigenwillig. Zu viel Selbstironie, die manchmal ganz schön bitter sein kann.                                                     (Bernhard Kathan, Hidden Museum)