Landschaftsdiversität & Bioqualität
Was erforscht wird auf dem Feld ist für den Laien oft nicht einsichtig, doch in der Wissenschaft sind andere Zusammenhänge vorgegeben als zum Beispiel beim Drehen eines Traktor-Zündschlüssels. Von Interesse ist, was vor dem Mähen und nach dem Mähen auf der Wiese passiert.
Selber wollte ich mich nicht der gängigen – oder der wohl eher fahrenden Meinung anschliessen – die Grünen in den Ökobüros seien nur auf Geld aus und würden Sachen herausfinden, die man selber schon längst wisse.
Der Beitrag für Landschaftsqualität auf meiner Alp wird dafür gesprochen, dass ich den Wanderweg, der hinüber nach Italien führt, von Kuhfladen reinige. Verursacht durch die Eringer Kampfkühe.
Ausschlaggebend war nicht, dass dieser Weg in die ehemalige Partisanenrepublik Ossola führt, sondern dass er im „Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS“ aufgeführt ist. Zusatzvermerk: „historischer Verlauf mit viel Substanz“. Gerne trage ich als gehender Mensch auf diesem Weg, Kuhscheisse weg befördernd, zu dieser Substanz bei. Immer daran denkend, dass dieser Weg historisch und seit jeher mit Mist belegt wurde. Einst mit jenem der zahlreichen Mulis, die leichtfüssig Salzstöcke ins Land trugen. Nun handeln wir halt mit historischer Substanz. Von etwas muss man doch leben. Wie auch Hitsch gerne sagte, in seiner Vielfalt.
Zudem hatte die Alpmeisterin mit dem Bund vertraglich abgemacht, dass die auf diesem Weg liegenden Steine zu entfernen seien. Für alle diese meinerseits eher symbolisch vorgenommenen Handlungen erhielt die Alpgenossenschaft Geld. Von etwas muss man doch leben.
Der Alpkontrollör kommt nicht unbedingt aus dem akademischen Bereich. Man weiss nicht so recht, was er so weiss. Er will, dass eine etwas vergessene Weide besser abgeweidet wird. Die Herde verweilt da in einem Jahr und dem darauf nur kurz, schnuppert ein wenig herum. Erst im dritten ist sie fett genug, und jetzt tut sie sich gleich zwei Tage lang gütlich. Die Tiere selber erkennen die Magerweide wohl.
Dieses Weidestück, gezeichnet von einem urzeitlichen Bergsturz und umsäumt von Bergbächen, verdankt seinen Eintrag in das Bundesinventar der Entdeckung zweier seltenen Pflanzen, begleitet von neun anderen bemerkenswerten. Insgesamt also elf TWW-Zielarten. Als Magerweide allein hätte es das nicht geschafft.
Ausgegrenzt als schützenswert sind 17 Hektaren, der Anteil Magerweide beträgt etwa 3 Hektaren. Der Rest ist Fels und Stein, Unwegsamkeit.
Dabei sind zwei verhaltensauffällige Pflanzen besonders zu erwähnen: die Silber-Edelraute, Artemisia umbelliformis, eine nahe Verwandte von Artemisia genipi und der Keltische Baldrian. Beide sind im Bergvolk seit jeher beliebt als Heilkräuter.
Häufig anzutreffen ist im Tal der Alpen-Wermut (Artemisia genepi), auch Edelraute genannt. Die Einheimischen sammeln ihn fleissig und verarbeiten
ihn zu einem Schafgarben - Likör, den sie liebevoll als Tschenippi Genepi) bezeichnen. Bio-divers war man und vor allem Frau hier schon immer.
Das karge Weidestück, Ort zur Weideverbesserung, ist im „Bundesinventar der Trockenweiden von nationaler Bedeutung (TWW)“ verzeichnet.
Was nun ist eigentlich eine Trockenweide? Zitat Bundesamt: Sie ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen extensiven Bewirtschaftung und einer traditionellen Landwirtschaft. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist der Bestand der Trockenwiesen und – Weiden um rund 90 % zurückgegangen. Aktuell sind 3631 Objekte in Kraft. Die Amtskraft ist besorgt.
Die Frage, die sich mir stellt, ist, ob der Entscheid des Alpmeisters, da nun mit zwei Mulis (von mir eingezäunt) zu intervenieren, das richtige Vorgehen war. Das
war doch eine eher intensive Nutzung und Mulis, das wissen viele nicht, auch die Biobotaniker nicht, scheissen sehr viel. Mit dem herumliegenden Muli-Dung habe ich dann die ganze Sache – einer
bäuerlichen Ader folgend – intensiv eingemistet. Mist sei des Bauern List, wie Hitsch auch schon gesagt hat.
Auf dieser Alp ist eigentlich fast nichts oder nicht mehr viel. Das Kraftwerk nimmt dem Bach das Wasser, der historische Verkehrsweg ist fast unbegangen, der
Grossteil der Weiden von Kuh & Schaf unbeachtet. Über allem fliegt der Apollofalter und der Bartgeier, irgendwo sonnt sich ein Wolfsrudel. Dies alles ist von nationaler Bedeutung.
Von nationaler Bedeutung ist auch der Pfiff des Munggen. Wer bezweifelt das schon. Drohnen fliegen neuerdings zwischen Schwalben und Turmfalk. Kameras beobachten das Kommen und Gehen von
Mensch und Tier. Der Videobeweis schafft – falls nötig – Klarheit.
Ihr Vladimir Kurtz, Kampfkuhhirte nationaler Bedeutung.
PS. Die Zeit vergeht. Noch sömmern 13 Eringer auf der einen Seite der Furggalpe. Auf der anderen, ennet dem Bach, der Almageller-Seite, trifft man zwischenzeitlich auf eine mithilfe der Gemeinde und viel "Eigeninitiative" des Sennen Mario Anthamatten erstellte, milchverwertende Alp, welche vorzüglichen und so Ziegenkäse herstellt.
Das Wegweisen der Steine von Wanderwegen habe ich dermassen verinnerlicht, dass heutige von mir begangene Wanderwege, gleich welcher Wertung, steinfrei werden. Stone free!, wie Hitch manchmal in die Berge rief.