Oligarchen im Bergdorf

Reiche Leute flüchten in die Wildinen / Sie sind nett

 

 

 

Mein Maiensäss

 

Der Oberländer Rechtsanwalt und Grossrat. Reto Crameri*, CVP/Mitte war mit gerade einmal 26 Jahren Bündner Grossrat, Gemeindevorstand der Gemeinde Albula/Alvra, Mediensprecher der CVP Graubünden, Rechtsanwalt und bald auch Landwirt. Er forderte vom Kanton die Einreichung einer Standesinitiative, welche die gemässigte Umnutzung von Maiensässen zu Wohnraum zulässt.

 

Im Netz gibt es einen schönen Beitrag des Romanischen Fernsehens mit Herr Crameri als Animator. Dort wird ein umgebauter Stall in der Landwirtschaftszone vorgestellt, der für 600‘000 Franken verkauft worden sei. Insgesamt sollen im Kanton um die 20‘000 Objekte dieser Art darauf warten, erhalten zu werden. Umgebaut zu werden. Und verkauft zu werden. Auch der Kanton Wallis hat eine gleichlautende Motion beim Bund eingereicht.

 

Hier gehe es um Kulturerhaltung.

 

Der Ursprung dieser Standesinitiative geht auf den Verein für Raumentwicklung Kultur und Landschaft (RAKUL) zurück und es geht in erster Linie um die Nutzung von Gebäudebrachen durch die Immobilien- Architekturbüros und die Bauwirtschaft. Ihnen gegenüber steht Raimund Rodewald, Stiftung Landschaftsschutz.

 

Grossrat Crameri diffamiert Rodewald in einem Leserbrief in der Südostschweiz als «selbsternannten Tourismusexperten». Das ist der bekannte und übliche Umgang mit politischen Gegnern, wie man ihn aus dem nicht selbsternannten Grossen Rat des Kantons Graubünden kennt.  So wird die Auseinandersetzung, es geht hier um Raumplanung, Bauzonen, Landschaftsgestaltung etc., nicht sachlich geführt.

 

Der gefühlsbeladene Ausdruck „Maiensäss“ wird als trojanischer Muli eingesetzt, der den Weg frei machen soll für die Expansion in die Mager- und Ökowiesen, in die Landwirtschaftszonen. Und das in aller Ignoranz gegenüber der neuen AP 14-17, die den Schwerpunkt auf Biodiversität & Landschaftsqualität setzt und den Abstimmungs-resultaten über die Zweitwohnungen, die Olympische Spiele.

Die Maiensässe. Die Begehrlichkeit nach Maiensässen mit ganzjährigen Zufahrten mag eher gross sein. Zurzeit sind die Preise sehr hoch und das Angebot ist klein. Es wird auch klein bleiben. Diejenigen, die im meist vererbten Besitz eines Maiensäss sind, wissen seinen nicht materiellen Wert zu schätzen. Sie sind, so wie es jetzt ist, vielen Leuten zugänglich. Verwandten, Freunden, Ferienleuten, Jäger. Sie sind nicht dabei, zu zerfallen. Sie befinden sich vornehmlich im Besitz der Familien und werden gerne benutzt, unterhalten und auch vermietet. Neben der Maiensässhütte befinden sich immer ein Stall und ein Brunnen. Bis vor Jahren wurden alle Maiensässgebäude landwirtschaftlich genutzt. Vieh wurde gefüttert und getränkt, im Mai und im Herbst. Durch die neuen, zentralen Ställe im Dorf haben sowohl die Barguns (alleinstehende Heuställe) als auch die Maiensäsställe an Bedeutung verloren.

 

Interessant für das Baukartell sind die Ställe auf den Maiensässen, wie auch Vorwinterungen ohne Wohnraum, hauptsächlich dann, wenn sie entlang der Meliorationsstrassen liegen. Letztere werden mit Bundes- und Kantonsgeldern flächendeckend projektiert und ausgeführt.

 

*Er politisiert am rechten Rand der Partei; fordert unter anderem ein Vermummungsverbot in Graubünden.  Mit seiner Standesinitiative dazu hat er es bis nach Bundesbern geschafft. Eines Tages wird er wohl nachfolgen.

 

 

 

Tschiertschen (TSCHIERTSCHENIEN)      ein Puzzle

 

Rote Winde hat bereits über den Einfall der polnischen Oligarchie ins Unterengadin, angeführt von Grażyna Kulczyk, berichtet. Kunstmäzene im Land der Lawinengalerien, Kunst zieht ein in leere Heuställe. Oligarchenfutter wird darin zwischengelagert.

 

Im Umkreis der Kunsthallen und Kunstställe tut sich für die indigene Bevölkerung eine neue berufliche Tätigkeit auf. Die des Museumswärters, der Museumswärterin. 

 

Sämi Sawiri und Stoffel Walter, haben in Andermatt und Vals interveniert. Eher unbemerkt erschien am Rande der Szene ein Pferdehändler aus Asien. In Tschiertschen.

 

Diskret, wie es sich gehört, nicht mit einem Paukenschlag, nur ein Gong ertönt, in der Ferne Pferdegetrappel. Es ist Teo Ah Khing. Ein Chinese, sagen die Leute im Dorf, so wie der Koch in den Geschichten über Lucky Luke ein Chinese ist. Teo ist ein Lucky Luke. Sein Koch ist tatsächlich ein Chinese.

 

Tschiertschen heute: das Boutique-Resort-Hotel, umgeben von ausgemähten Wanderwegen. Das damalige Hotel Alpina wurde für 620‘000 Franken von Khing gekauft und für 15 Millionen renoviert. Es ist Geld geflossen. 

 

Teo Ah Khing, ein Malaysier mit chinesischen Wurzeln, ist Rennstallbesitzer und Präsident des China Horse Club, einer Vereinigung einflussreicher Pferdenarren. Er kaufte das Alpina, das seine besten Zeiten längst gesehen hatte, per SMS so berichtet der Tagesanzeiger. Letztendlich sollen es die sauber ausgemähten Wanderwege gewesen sein, welche den Ausschlag gaben, in diesem Dorf zu investieren.

 

Tsch. war eine der ersten Gemeinden im Kanton, auf deren Boden Ski-Liftanlagen erstellt wurden. Tsch. war auch die erste Gemeinde im Kanton welche für Hotels und Restaurantbetriebe, für welche sie die Betriebsbewilligung zu vergeben hatte, eine Kaution erhob. Grund dafür war, dass immer wieder Wirte und Wirtinnen nach spätestens 2 Jahren die gepachteten Betriebe Hals über Kopf verliessen und Schulden gegenüber der Gemeinde hinterliessen. Kurtaxen, Wasser- und Abfallgebühren, Steuern. Zum ungefähr gleichen Zeitpunkt begannen die drei Gemeindearbeiter die Ränder sämtlicher Wanderwege, ein Netz von einigen Dutzend Kilometern, mittels Motorsensen auszumähen. Es wurden Massnahmen ergriffen.

Heute ist alles anders. Obwohl, gerade geht eine Meldung durch die Medien, dass gewisse Bergbahnen einen zweiten schneearmen Winter nicht überleben würden.

                                      

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Der Bezug des Schreibenden zu Tsch. geht auf das Jahr 2004 zurück, eine Zeit, in der Tsch. schon stark verblüht war. Auffällig der grosse Parkplatz vor dem Dorf, auf dem die Bauern im Sommer das Gemähte auslegen, um es zu trocknen. Eine intelligente Zweitnutzung. Wie es andernorts die Wasserspeicherseen sind, mit denen man die Schneekanonen füttert und die im Sommer Badeseen sind. 

 

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Während im Dorf das Luxushotel gebaut wird, überlässt man die Alphütten den Mäusen und dem Wind. Dieser bläst durch grosse Ritzen, die so gesehen keine Ritzen mehr sind. In der oberen Hütte auf dem Grat, wo Unwetter ungehindert an die Wetterfassade prallen, läuft Wasser in die alte Alpkäserei. Aber da ist noch der Ablauf. Gleich geht es wieder hinaus. Das Wetter dreht eine Runde. Eine Erfahrung aus der Alpzeit des Schreibenden.

 

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Der Corporate-Communication- und Investor-Relations-Manager Dr. Peter P. Knobel, platziert in Zug, hat in Tsch. ein Feriendomizil. Er ist Teil des Managements unseres Hotels. Er schaut, dass Journalisten der grösseren Tageszeitungen das Dorf Tsch. und das Hotel, das eine Oase sein soll, besuchen und darüber schreiben. Sie schreiben dann, es sei zwar schattig, doch das garantiere eine gewisse Schneesicherheit zum Skifahren an den Liften. Und dass es ein noch liebliches Dörflein sei, mit alten Häusern.

                      

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Das Hotel Alpina wurde zur Blütezeit des Bündner Tourismus erbaut. Im Jugendstil. Die letzten Jahrzehnte hat man Holländer*innen  mit ihren Kindern in Cars ins Dorf gefahren. Ins Hotel Alpina, wo sie bescheiden ihre Käsebrote assen und Mineralwasser tranken. 

 

An der Hotelfachschule in Passugg, auf dem Weg nach Tsch. hat es viele Chinesen. Oder Asiatinnen. Auch im Postauto. Die Bauern haben Mühe, zu unterscheiden. Japaner, Koreaner oder Chinese.  Würden die Bauern mehr Postautofahren, könnten sie den Unterschied herausfinden. 

 

Genau gesehen ist Khing nämlich aus Malaysia. Das wäre auch ein schöner Name für eine gute Milchkuh, meint Hitch am Stammtisch. Malaysia.

 

Im Verwaltungsrat der Gesellschaft sitzt neben der Frau von Theo the King auch Herr Markus Brocker. Er ist Delegierter des Verwaltungsrates besagter nahegelegener Hotelfachschule, der Schweizerischen Schule für Touristik & Hotellerie.

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In besagter Hotelfachschule Passugg rekrutiert das Alpina einen Teil seines Personals, ohne dass es dabei militärisch zu und hergeht. Der Lohn im Monat ist einsternig, ein sogenannter Praktikant verdient Franken 2'179 (2018) monatlich. Die Genauigkeit dieser Zahl suggeriert Gerechtigkeit & Ordnung. Möglicherweise wird dann noch ein Betrag für Kost & Logis abgezogen. Und … trotz alledem: Die Kellner und die Serviertöchter sind freundlich.

 

Dazu meint der Stammtisch, Asiat/innen würden ohnehin immer lächeln.

 

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Nicht in Erscheinung treten frühere Partner von Theo the King. Scheich Mohammed al Maktoum und General Pervez Musharraf.

Herrscher der Vereinigten Emirate (Fly Emirate) der eine, von Pakistan  einst der andere. Mit dem einen zusammen hat Teo the Khing, der eigentlich ehrbarer Architekt ist, ein sogenanntes Military Headquarter, für den anderen die legendären palmförmigen Inselüberbauungen bei Dubai und die prunkige Pferderennbahn "Meydan» gebaut. 

 

Die Vereinigten Emirate sind ein wichtiger Verbündeter der USA. Sie unterstützten die USA und andere Koalitionsstreitkräfte bei deren Operationen in Afghanistan, wohin sie selbst auch Truppen entsandt haben. 

 

Teo ist Owner des China Horseclubs. Damit ist er, so sagt man, zu seinem immensen Reichtum gekommen. Er mag Pferde und baut Pferderennbahnen und darum herum Einkaufszentren und Hotels. Man kann da Pferdewetten abschliessen. Er züchtet Pferde, die 1 Million Franken kosten.

 

Hätten die Bauern von Tsch.  auf Pferde gesetzt, statt auf Brown-Swiss-Kühe damals, sie wären so reich wie Theo. Aber eben.

 

Er ist in Sarawak aufgewachsen. Er kommt ursprünglich nicht aus reichem Hause. Der Name Sawarak ist mir aus meinen Kindheits-Kindergeschichten bekannt. Sawarak ist das Pfefferland. Die weite Ferne. Land der Krokodile, der fliegenden Eichhörnchen und kletternden Wildschweinen, gigantischer fleischfressender Pflanzen. Ureinwohnern, die mit dem Blasrohr auf die Jagd gehen. Dazwischen der kleine Theo mit seinen zahlreichen Geschwistern.

                                                    

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Dr. Peter P. Knobel sagt: Wir schaffen für Tsch. attraktive Arbeitsplätze mit Zukunft. Das kommt nicht zuletzt wieder der Gemeinde zugute.

 

Rote Winde ist sich dessen bewusst und hält es noch einmal fest:

Jeder dritte Franken in Graubünden kommt aus dem Tourismus!

 

Andrzej Corax (ergänzt im Juli 2025

 


Baukartell-PUK Graubünden
Sommersitz der Redaktion / Lugirien
Baukartell-PUK Graubünden
Redacteur en Chef & de Cuisine: Kurt von Arb

Beste Popliteratur, mit klugen Miniaturen zu Natur, Gesellschaft, Literatur, vor allem immer wieder über das Altern. Kurtz hat so ziemlich alle Berufe ausgeübt, die man sich vorstellen kann. War Bergkehrichtmann, vierfacher Genossenschaftsgründer, Metzger, Bauer, Hotelbetreiber, Koch, um nur einige Beispiele zu nennen, die mir in Erinnerung geblieben sind. Seit Jahren verbringt er mit seinem Hund Tito, einem Widergänger des bekannten Tito, den Sommer als Hirt auf Mutterkuhalmen. Und so dreht sich denn auch einiges um das Auskommen mit Tito. Nach einem so klugen Hirten wird man suchen müssen. Kurtz zählt für mich zu jenen immer selteneren Menschen, die nicht nur über eine Ausbildung, sondern über Bildung verfügen. An Popliteratur denke ich deshalb, weil banale Sprachabfälle, Werbetexte, Produktaufschriften etc. seine Texte durchziehen. Autoren wie Vladimir Kurtz fallen durch alle Raster. Zu alt. Zu eigenwillig. Zu viel Selbstironie, die manchmal ganz schön bitter sein kann.                                                     (Bernhard Kathan, Hidden Museum)